Gott oder das Geld

Gott oder das Geld - Kurzfassung der Thesen der Dissertation von Vincenzo Petracca

Vincenzo Petracca, Gott oder das Geld. Die Besitzethik des Lukas (TANZ 39), A. Francke Verlag Tübingen/Basel 2003, 410 S., ISBN: 3-7720-2831-4, 64.- €.


Der dritte Evangelist vertritt eine große Bandbreite an Anweisungen über den Umgang mit Besitz: von der Einladung Notleidender zu Gastmählern (Lk 14,12-14) über den Verkauf von Besitz zugunsten der Armen (Lk 12,33f.) bis hin zu radikalem Besitzverzicht um der Verkündigung willen (Lk 18,18-30). Die Untersuchung behandelt die beiden Fragen: Was führt zur Differenzierung der Forderungen im Lukasevangelium? Und umgekehrt: Was hält die divergierenden Forderungen zusammen?

Zur ersten Frage: Die Differenzierung hängt mit verschiedenen Adressatenkreisen zusammen. Lk greift bei den verschiedenen Problemen in seiner Leserschaft auf Besitzaussagen aus der Tradition zurück und aktualisiert sie. Er paßt die Aussagen an seine pluriforme Gemeindesituation mit ihren sozioökonomischen und sozioreligiösen Konflikten an.
Hinter seinen oft harten Aussagen über Reiche und Reichtum verbergen sich gravierende soziale Konflikte zwischen der Ober- und der Unterschicht in seiner Leserschaft. Der Evangelist interveniert in diesem Konflikt, indem er sich in erster Linie an die Besitzenden wendet. Sie sollen mit den Armen teilen. Seine ethnisch und religiös unterschiedlichen Adressatenkreise veranlassen ihn, divergierende Traditionen sowohl aus dem jüdischen als auch aus dem hellenistischen Kulturkreis zu rezipieren. Neben finanziellen Spannungen gibt es in seiner Leserschaft auch sozioreligiöse. Vornehme und Geachtete haben Ressentiments gegen Außenseiter und Personen, die sie als sozial oder religiös minderwertig ansehen.
Insgesamt herrschen gegensätzliche Töne vor: Lk wirbt heftig um die Reichen und Angesehenen, droht ihnen aber auch mit harten Worten und stärkt zugleich die Armen und Außenseiter. Die werbenden Töne zielen darauf, finanzielle und soziale Vorbehalte aufzugeben. Die harten Drohungen sollen die Reichen zu Besitzverzicht auffordern und zugleich verhindern, daß ihr ohnehin starkes Ansehen in den Gemeinden erdrückend wird. Umgekehrt stärkt Lk das religiöse Selbstbewußtsein der Armen und Außenseiter und ermutigt sie, trotz ihrer Not am Glauben festzuhalten. Er will die sozialen Gegensätze in seinem Leserkreis ausbalancieren. Die divergierenden Aussagen haben dieselbe Funktion, nämlich die Überwindung der sozialen Konflikte und die Motivation zu einer Solidargemeinschaft ohne soziale Barrieren. Als ekklesiologisches Modell dient die Gütergemeinschaft der Jerusalemer Urgemeinde (Apg 2-5). Nach innen zielt Lk auf die Linderung der Not der Armen und die Stärkung der Einheit der Gemeinden. Nach außen verfolgt er missionarische Ziele, indem er vor allem Reiche und Angesehene bekehren will. Er erhofft sich von ihrer Bekehrung einen missionarischen Multiplikatoreffekt für die Ausbreitung des christlichen Glaubens im hellenistischen und hellenistisch-jüdischen Umfeld seiner Gemeinden.

Zur zweiten Frage: Was hält die divergierenden Besitzaussagen zusammen? Lk bindet seine Aussagen zum Besitz zu einer kunstvollen Komposition zusammen, indem er sie im wesentlichen zu zwei thematischen Blöcken zusammenfaßt: Programmatisch werden die Besitzforderungen zunächst in der göttlichen Gerechtigkeit begründet, die Hohe erniedrigt und Niedrige erhöht (Lk 1-7). In einem narrativen Hauptteil werden sie dann anhand des Liebesgebots entfaltet (Lk 10-21), wobei seine Auslegung des Liebesgebots sich auf sozioökonomische Fragestellungen zuspitzt. Den Kern der Darlegung bildet dabei die Unvereinbarkeit von Gottes- und Mammonliebe (Lk 16,13). Die beiden Teile stehen in einer engen, inhaltlichen Beziehung zueinander: Die lk Auslegung des Doppelgebots der Liebe hat ihre letzte Begründung in der göttlichen Gerechtigkeit. Liebe und Gerechtigkeit sind für den dritten Evangelisten nicht zu trennen.

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